Christin Rathfelder arbeitet in der SIH-Gruppe (Sozialpädagogische Integrationshilfe) in der Außenstelle Markgröningen. Da diese zurzeit geschlossen ist, unterstützt die pädagogische Fachkraft ihre Kolleginnen in Korntal.
Ich bin im Flattichhaus im stationären Bereich eingesetzt. In meiner Wohngruppe leben fünf Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren. Für sie ist es schwierig zu verstehen, warum vieles gerade nicht erlaubt ist. Sie dürfen nicht raus wie sonst und sich nicht mit anderen treffen.
Jeder Tag eine neue Chance
Diese Zeit erleben wir als ziemlich chaotisch. Man weiß morgens nicht, was alles an neuen Regelungen kommt, die wir am gleichen Tag oder während der Woche beachten müssen. Wir müssen uns ständig auf Neues einstellen. Das ist schon stressig. Wir versuchen, unsere Kinder sinnvoll zu beschäftigen und Struktur in ihren Tag zu bringen. Morgens gibt es Lernzeiten, nachmittags ein Freizeitprogramm. Kaum etwas ist so wie bisher. Gemeinsam entdecken wir aber auch: Man wird erfinderischer und flexibler. Das fordert alle heraus: „Sei dankbar für jeden Tag. Nimm jeden Tag als neue Chance.“ Eine solche Einstellung macht vieles leichter.
Eine Chill-Lounge aus alten Paletten
Interessant ist, wie kreativ unsere Kinder durch die Einschränkungen der letzten Wochen geworden sind. Viel Spaß hat das bunte Bedrucken von Leinwänden mit Sprüchen und farbigen Hand-Abdrücken gemacht. Auf unserer Terrasse haben wir aus ausrangierten Paletten eine Chill-Lounge mit bequemen Bänken gebaut. Es ist erstaunlich, wie sich Kinder überwinden und trotz der bedrückenden Stimmung auch dieser Situation etwas Gutes abgewinnen können.
Zusammenhalt und Beten hilft
Der Zusammenhalt im Mitarbeiterteam ist in dieser Anspannung noch intensiver als sonst. Wir sind aufeinander angewiesen. Unser persönliches Miteinander funktioniert sehr gut. Als besondere Stärke unserer Einrichtung empfinde ich, dass wir für die aktuelle Situation beten können. Das Gebet ist ein wichtiges „Gegenmittel“ gegen die Panik, die von außen geschürt wird, wenn wir all die beängstigenden Nachrichten hören. Wenn alles um einen herum immer hoffnungsloser erscheint, ist es ein Riesen-Bonus, wenn man sich am Glauben festhalten kann. Ich habe die Hoffnung, dass Gott auch die Corona-Situation im Griff hat, auch wenn das im Moment unseren Horizont übersteigt.
Mehr Aufmerksamkeit für Jugendhilfe
Was ich mir wünsche? Dass die Medien ihren Blick auch auf die Situation der Jugendhilfe richten. Es ist sicher richtig, dass Pflegepersonal und Verkäuferinnen an Supermarktkassen zurzeit besonders beachtet werden. Die machen bestimmt einen tollen Job. Von der Jugendhilfe habe ich in den Nachrichten aber noch nichts gehört. Das finde ich schade. Denn gerade Kinder in diesen Einrichtungen und ihre Familien haben es besonders schwer, mit der Situation zurechtzukommen.
Ich finde, dass alle, die sich im pädagogischen Bereich einsetzen, eine ganz wichtige Arbeit tun. Es sollte mehr darüber berichtet werden, wie herausfordernd die derzeitige Situation für die uns anvertrauten Kinder, Jugendlichen und deren Familien und für uns Mitarbeitende ist.