Benjamin Breuninger arbeitet seit 2015 in der Jugendhilfe Korntal. In den vergangenen zwei Jahren hat er sich zum Traumapädagogen weitergebildet. Nun leitet er andere Mitarbeitende an, wie sie besser auf Kinder und Jugendliche mit einer belasteten Lebensgeschichte eingehen können.
Benjamin Breuningers Arbeitsplatz ist die Soziale Gruppenarbeit (SGA) in Bietigheim. Zwei- bis dreimal pro Woche kommen hier insgesamt 15 Kinder zusammen, Heranwachsende im Alter zwischen 6 und 12 Jahren, vermittelt durch das Jugendamt. Gemeinsam mit ihren Betreuern essen sie zu Mittag und erledigen ihre Hausaufgaben. Unterschiedliche AGs, die nicht nur Spaß machen, sondern auch vielseitige Fähigkeiten und das Sozialverhalten der Kinder fördern, stehen am Nachmittag auf dem Programm. Das Angebot reicht von einer Kreativ- oder Koch-AG über eine Tier-AG mit Therapiehund bis hin zur Natur-AG an der frischen Luft.
Wunden, die schwer verheilen
All das klingt schön und unbelastet. Aber hinter der Fassade sieht es manchmal ganz anders aus. „Zu uns kommen Kinder, die oft schon in jungen Jahren Schweres durchlebt haben“, erzählt der 34-jährige Arbeitserzieher. Viele der Betreuten sind verhaltensauffällig: Einige reagieren extrem aggressiv, andere sind in sich selbst zurückgezogen, manche haben Konzentrationsprobleme und Lernschwierigkeiten.
Verstehen überwindet Grenzen
In seinem Arbeitsalltag ist Benjamin Breuninger mehr als einmal an seine Grenzen gestoßen. Daher suchte er Möglichkeiten, wie man diesen Kindern noch besser begegnen und ihnen helfen könnte. Einen Schlüssel entdeckte er in der Traumapädagogik. Knapp zwei Jahre bildete er sich berufsbegleitend weiter. Sein Ziel: Die Probleme der Kinder und Jugendlichen differenzierter wahrnehmen zu können und mehr Handlungsoptionen für ihre Begleitung kennenzulernen.
Seither ist der Sozialpädagoge immer tiefer in das Thema eingetaucht. Wann immer er mit traumatisierten Kindern zusammenkommt, begegnet er ihnen mit viel Verständnis für ihre Nöte. „Ich habe gelernt, dass die Kinder einen „guten“ Grund für ihr Verhalten haben. Was zunächst merkwürdig und verstörend erscheint, ist „normal“, wenn man Traumatisches durchleben musste. Dieses Wissen hilft mir, sie zu verstehen und ihnen ein wenig von dem Druck zu nehmen, den sie täglich spüren.“
„Kinder, die wir traumapädagogisch begleiten, haben immer einen „guten“ Grund für ihr auffälliges Verhalten.“
Der Begriff "Trauma" kommt aus dem Griechischen und bedeutet Wunde.
Bildhaft lässt sich ein Trauma als seelische Verletzung verstehen, die durch ein existenziell bedrohliches Ereignis ausgelöst wird und die psychischen Schutzmechanismen überfordert.
Die Folgen eines Traumas reichen von Ängsten und Wut über Beziehungsprobleme bis hin zu dissoziativen Störungen, die zu einer verzerrten Wahrnehmung von sich selbst und der eigenen Umwelt führen.
Ein Trauma hat viele Gesichter
„Ein Trauma kann jeden treffen. Es gibt viele Auslöser. In der Kindheit entsteht es nicht nur durch Vernachlässigung durch die Eltern oder ungute Verhaltensweisen in der Familie. Auch Mobbing oder ein Unfall können Ursachen sein.“
Seine Kompetenz in Sachen Trauma teilt Benjamin Breuninger, selbst Vater von zwei Kindern, gern mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Schon zwei Mal hat er interessierte Mitarbeitende intern geschult, sie für das Thema sensibilisiert und ihnen Methoden für die Praxis aufgezeigt.
Ziel der Traumapädagogik
Traumapädagogik will helfen, betroffene Kinder psychisch und sozial zu stabilisieren, damit sie ihren Alltag wieder meistern können. „Es ist wichtig, dass sie sich selbst etwas zutrauen, Selbstwert entwickeln und anderen auch Grenzen setzen“, so Breuninger.
Um das zu erreichen, arbeitet er nicht nur mit den Kindern, sondern auch mit deren Eltern und dem Jugendamt zusammen. In manchen Situationen braucht das Kind zusätzlich eine spezielle Traumatherapie, um das Erlebte nachhaltig aufarbeiten zu können.
Einmal mehr aufstehen als hinfallen
Benjamin Breuninger freut sich sehr über Fortschritte seiner Kinder. Am Ende jedes Nachmittags reflektiert er gemeinsam mit ihnen den Tag. Grüne Smileys verteilt er als besondere Auszeichnung und grüne Klebepunkte als Lob. Gelbe und rote Punkte dienen als Ansporn, es am nächsten Tag nochmals zu versuchen und besser zu machen.
Das Motto „Aufstehen, Krone richten, weitergehen“ gilt eben nicht nur für Prinzessinnen.